Der Kläger - Solocellist im Sinfonieorchester der beklagten Arbeitgeberin - bewarb sich auf eine ausgeschriebene Stelle eines anderen Orchesters. Das Probespiel für diese Bewerbung fand an zwei aufeinanderfolgenden Tagen statt. An denselben zwei Tagen gab das Sinfonieorchester der Arbeitgeberin des Klägers ein Sinfoniekonzert. Der Kläger nahm an dem Probespiel teil, nachdem der Arbeitgeberin durch eine vom Kläger beantragte einstweilige Verfügung aufgegeben worden war, ihn für die Dauer des Probespiels freizustellen.

Die Arbeitgeberin des Klägers lehnte die Bezahlung der zwei Tage seiner Teilnahme an dem Probespiel ab. Sie berief sich auf die Ausnahmeregelung in § 40 Abs. 3 S. 2 des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern vom 31. Oktober 2009 - die Unentbehrlichkeit des Klägers aus künstlerischen Gründen - und verwies auf die besondere Bedeutung eines Sinfonieorchesters, die es künstlerisch erforderlich mache, dass der Solocellist als Teil der "besten Besetzung" des Orchesters spiele. Zudem berief sie sich darauf, dass ihr die Beschaffung einer Vertretung für den Kläger auch aus finanziellen Gründen nicht zumutbar sei, da sie die Aushilfe schließlich nicht nur für die zwei Tage des Konzerts, sondern auch für die vier weiteren Probetage habe bezahlen müssen.

Der Kläger berief sich auf § 40 Abs. 3 S. 1 des Tarifvertrages, wonach dem zu einem Probespiel eingeladenen Musiker auf einen unverzüglich gestellten Antrag bis zu dreimal in der Spielzeit die erforderliche Freizeit unter Fortzahlung der Vergütung zu gewähren ist.

Das Arbeitsgericht Aachen hat entschieden, dass die Arbeitgeberin dem Kläger die zwei Tage, an denen er am Probespiel teilgenommen hat, vergüten muss. Für die von § 40 Abs. 3 des Tarifvertrages verlangte Unentbehrlichkeit aus künstlerischen Gründen komme es nicht auf die Bedeutung des Konzertes, sondern darauf an, ob das gespielte Repertoire von jedem ausgebildeten Konzertmusiker gespielt werden könne oder weitergehende Fähigkeiten verlange. Zudem sei es der Arbeitgeberin zumutbar gewesen, dass sie weitere vier Probetage für den Ersatz des Klägers habe bezahlen müssen.

ArbG Aachen, Urteil v. 11. Juli 2019, Az. 1 Ca 776/19